Die Linke Bremen: Juniorpartner reiht sich ein

Niedergang der Linkspartei

Juniorpartner reiht sich ein

 Die »Zeitenwende« macht es möglich: In Bremen hat die Regierungskoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke einem Dringlichkeitsantrag der CDU anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffs auf die Ukraine grundsätzlich die Zustimmung erteilt. Per Änderungsantrag justierten die drei Fraktionen zwar vor allem beim Ausdruck nach. Am Grundtenor, wonach der russische Präsident Wladimir Putin als Alleinschuldiger die Verantwortung für unzählige Tote in der Ukraine trägt, beteiligte man sich unwidersprochen.

»Waffenlieferungen«, die die CDU in ihrem Antrag befürwortet, wurden im »rot-grün-roten« Lektorat zu »notwendigen Waffenlieferungen«. Nicht übernehmen wollte man die Forderung der CDU, die BRD müsse ihrer »Führungsrolle in Europa nachkommen«. Insgesamt wurden nur zwei von am Ende zehn Punkten des abgewandelten CDU-Antrags pauschal abgelehnt. Einer davon enthielt Forderungen nach besserem Schutz kritischer Infrastruktur in BRD. Der andere rief dazu auf, seitens des Staates die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs – vor allem der Russland-Sanktionen und des Angebotsschocks auf dem Energiemarkt – für die hiesige Bevölkerung abzufedern. Doch warum gerade diese sozialpolitischen Aspekte nicht mitbeschließen? Der Senat habe das bereits umgesetzt, erklärte die Sprecherin der Linke-Fraktion, Eva Przybyla, am Donnerstag gegenüber junge Welt. »500 Millionen Euro zur Bekämpfung der Folgen des Ukraine-Kriegs« seien beschlossen und dafür eine Ausnahme von der »Schuldenbremse« erklärt worden.

Aus den Reihen der Bremer Linkspartei kam noch am Donnerstag deutliche Kritik an dem Vorgang in der Bürgerschaft. Der Abgeordnete Olaf Zimmer habe vor der Abstimmung über den Änderungsantrag den Saal absichtlich verlassen, bestätigte er im jW-Gespräch. Für ihn sei der »Zungenschlag der Prosa« untragbar. Gemeint ist der Einleitungstext, der vom CDU-Antrag unverändert übernommen wurde. In einem entsprechenden Dokument, das jW vorliegt, sind lediglich Änderungsvorschläge von Abgeordneten der SPD und der Grünen zu einzelnen Beschlussziffern zu erkennen.

Verabschiedet wurde daher mit Stimmen der Linke-Fraktion ein Text, in dem unter anderem von einer »von Deutschland beanspruchten und erwarteten Führungsrolle« ebenso die Rede ist wie von der Richtigkeit »westlicher Reaktionen mit Sanktionen und Waffenlieferungen«. Es sei »furchtbar«, dass die Linke-Fraktion sich so einreihe, ohne einen eigenen Akzent zu setzen, kritisierte Cornelia Barth, Koordinatorin der AG Frieden und Antimilitarismus der Bremer Linkspartei, am Donnerstag im Gespräch mit jW. So sei nicht nur gegen Grundsätze der Partei verstoßen, sondern seien auch »viele Mitglieder und potentielle Wähler« vor den Kopf gestoßen worden.

Auch die Spitze der Bundespartei kriegt Kontra. Der Vorstand gebe sich »größte Mühe, den Bürgerinnen und Bürgern deutlich zu machen, dass diese Partei nicht gebraucht wird«, kommentierte der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, Michael Brie, im ND (Donnerstag). Hinter dem Philosophen steht das innerparteiliche Lager um den früheren Vorsitzenden Gregor Gysi. Grund für Bries Aufregung ist die anhaltende Demobilisierungsstrategie im Karl-Liebknecht-Haus angesichts der für diesen Sonnabend geplanten Großkundgebung der Initiatoren des »Manifests für Frieden«, der Linke-Politikerin Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer.

Linke-Parteichef Martin Schirdewan trat am Donnerstag gegenüber Zeit online erneut als Bedenkenträger auf. »Ich sehe mit Sorge, dass die extreme Rechte massiv zu mobilisieren scheint.« Er befürchte, »dass die Friedensbewegung dadurch Schaden nimmt, dass die AfD versucht, bestimmte Positionen und auch Kundgebungen für sich zu vereinnahmen«. Im Aufruf zur Kundgebung fehle ihm »eine klare Abgrenzung nach rechts«, genauer: »der Satz, dass die russische Armee in der Ukraine nichts zu suchen hat«.

Brie zufolge arbeite der Parteivorstand »denen in die Hände, die die Bewegung gegen den Kriegs- und Aufrüstungskurs zerstören wollen«. Statt dessen müsse die »breite gesellschaftliche und politische Linke« die Demonstration dominieren, »mit vielen roten Fahnen und mit Ordnungskräften, die entsprechend den Vorgaben durch die Initiatorinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht das Zeigen rechtsextremer Symbole unterbinden«. Der Vorstand wolle vor allem den eigenen, »schrumpfenden« Laden zusammenhalten, kritisierte Brie, »und treibt ihn so in die Bedeutungslosigkeit«. Seine Konsequenz: »Es wird Zeit für einen Sonderparteitag.«

Junge Welt vom 24.02.2023