CDU und FDP setzen mit der AfD im Thüringer Landtag Gesetz durch

CDU und FDP setzen mit der AfD im Thüringer Landtag Gesetz durch

Die CDU in Thüringen hat im September 2023 einen Gesetzentwurf zur Senkung der Grunderwerbsteuer mit Stimmen der AfD durch den Landtag gebracht. Die Aufregung ist besonders bei den Parteien der Regierungskoalition groß: Dies sei eine Art “Koalition in der Opposition”, wie es ein Politiker der Linkspartei formulierte. Angeblich gab es keine Absprachen, aber dennoch waren AfD-Fraktionschef Björn Höcke und CDU-Fraktionschef Mario Voigt nonverbal auf einer Wellenlänge.

Die Opposition aus CDU, AfD und FDP hat in Thüringen gegen den Willen der »rot-rot-grünen« Minderheitsregierung eine Steuersenkung durchgesetzt. 46 Abgeordnete stimmten am frühen Abend für das Gesetz, 42 dagegen. Käufer von Immobilien müssen danach nur fünf statt 6,5 Prozent Steuer zahlen. Der staatliche Einnahmeverlust liegt nach Prognosen bei 48 Millionen Euro jährlich.

Vertreter der Regierungskoalition kritisierten die Abstimmung als »einzigartigen Vorgang« und »Pakt mit dem Teufel«. Die CDU gebe der AfD einen Gestaltungsspielraum und Einfluss auf den Landeshaushalt, sagte Linke-Fraktionschef Steffen Dittes. Die CDU fange an, »eine kleine Regierungskoalition in der Opposition unter Einschluss der AfD tatsächlich in Gang zu setzen«. »Es geht hier nicht um ein zufällig zustande gekommenes Abstimmverhalten«, sagte Dittes. Das sei der Versuch, »aus der Opposition heraus mit einer rechtsextremen Partei das Land zu gestalten oder zu regieren«.

Der Thüringer AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke zeigte sich nach der Abstimmung zufrieden. Das sei »pragmatische Politik«, sagte er. Das Gesetz sei ein »altes AfD-Projekt«; seine Fraktion habe bereits 2018 einen ähnlichen Antrag im Parlament eingebracht. »Es gibt eine Mehrheit in diesem Landtag seit Oktober 2019 – und diese Mehrheit besteht theoretischerweise aus den bürgerlichen Fraktionen«, sagte Höcke.

Der CDU-Bundesvorsitzende und „Brandmauereinreißer“ Friedrich Merz hatte das Agieren der Thüringer CDU-Fraktion vor der Abstimmung vorab verteidigt. »Wir machen das, was wir in den Landtagen wie auch im deutschen Bundestag diskutieren, nicht von anderen Fraktionen abhängig«, sagte Merz am Donnerstag dem Sender RTL/N-TV. »Wir können die Lösung von Problemen nicht davon abhängig machen, dass die falsche Seite mit Zustimmung droht«, hatte Voigt im Vorfeld erklärt. Absprachen mit der AfD habe es nicht gegeben, betonte er am Donnerstag – aber »pragmatische Politik«. Hierzu gibt es ein paar passende Zeilen von Günter Krone: „Man kann den Leuten Suppe servieren, mit Haaren darin, ungelogen. Man muss die Haare nur schön frisieren, behaupten gern die Demagogen“.

 

Die Rolle der AfD 

2023 ist nicht 1932. Damals fühlte sich das Kapital in seinen Machtinteressen aufs äußerte bedroht. Denn sechs Millionen kommunistische Stimmen und Rang 1 der KPD in der deutschen Hauptstadt waren keine abstrakte Größe. Politische Herrschaft der Arbeiterklasse oder offene faschistische Diktatur – so stellte sich den Herrschenden die Alternative dar. Maßgebliche Teile des Großkapitals  an Rhein und Ruhr zögerten keinen Augenblick. Ihr Ausweg hieß Hitler. Die Mordbanden von SA und SS wurden von der Kette gelassen.

Heute ist die Konstellation ganz anders. Der Staat von BDI, BDA, Deutscher Bank oder Rheinmetall sitzt fest im Sattel. Die Kapitaleigner machen horrende Profite. Das Klassenbewusstsein der deutschen Lohn- und Gehaltsempfänger ist langjährig eingeschläfert worden. Die Kommunisten in Deutschland sind einstweilen noch keine eingreiffähige Größe. Die Gewerkschaften befinden sich unter sozialdemokratischer Kontrolle. Die Linkspartei lehnt den Klassenkampf ab und driftete zu einem Standort „links von der SPD“, also in das Feld von Bad Godesberg, welches von Schröder seinerzeit geräumt worden ist.

Unter diesen Bedingungen braucht das Kapital weder Sturmabteilungen noch Schutzstaffeln. Auch ein Hitler ist nicht vonnöten.

Aber: Für alle Fälle baute sich die herrschende Klasse die faschistoide AfD aus den braunen Rändern der abwechselnd regierenden Parteien auf, denn seit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen ist der Arbeitsmarkt dereguliert und der Sozialstaat demontiert worden,  was zu einer Polarisierung der Sozialstruktur geführt hat. Weitere Auswirkungen davon sind, dass verarmte Teile der Arbeiterklasse an Wahlen kaum noch teilnehmen, während sich Angehörige der unteren Mittelschicht vermehrt der AfD zugewandt haben. Der Rechtspopulismus ist eine Folge der sozialreaktionären Politik der deutschen Staatsparteien, der die enttäuschten Menschen kalkuliert in die Arme der AfD treibt, statt das sie aktiv werden und selber für ihre Belange eintreten. Andererseits stehen die allseits bekannten Straßennazis von Der Dritte Weg oder Die Heimat (EX-NPD) bereit, um im Ernstfall die Drecksarbeit für die Kapitalistenklasse zu machen.

junge welt/ Steiniger/Butterwegge/hm