Der Osten muss bluten, daran lässt Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) keinen Zweifel. Am Montag besuchte der Bundeswirtschaftsminister die PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Dort wird seit 1963 schwefelhaltiges Rohöl vom Ural (und noch nicht ganz so lange aus Sibirien) verarbeitet. Die Druschba-Pipeline ist die Lebensader der Stadt (dass Druschba Freundschaft heißt, wusste im Osten jedes Kind). Habeck will sie nun lieber heute als morgen trockenlegen. Die fadenscheinige Begründung ist der Krieg in der Ukraine. Am Montag schwor der Minister die PCK-Beschäftigten bei einer außerordentlichen Belegschaftsversammlung auf damit verbundene Härten ein.
»Ich will Sie nicht vergackeiern und Ihnen auch nicht irgendwie den Himmel rosarot malen«, sagte er auf einem Tisch stehend vor der Werkskantine. Etwa 500 Arbeiter hörten zu. Einige werden sich über das »g« in »verkackeiern« gewundert haben, aber korrekt ist das Wort mit »g« von gackern, entstanden um 1900, und Habeck wurde ja nicht umsonst über »literarische Ästhetizität« promoviert.
Ganz in Schwarz, erklärte der Schriftsteller, was alles so zusammenkommen müsse, damit das Werk und also auch Stadt und Region eine Perspektive bekämen. Mindestens mal drei Dinge: Der russische Staatskonzern müsste mit einer »Lex Rosneft« um seine Anteile gebracht, Öl über Tanker aus dem Westen herangeschafft und das Werk für dieses andersartige Öl umgerüstet werden. »Wenn alles drei klappt, dann haben Sie eine Jobsicherheit für die nächste Zeit«, meinte Habeck (ob das sprachlich richtig war, weiß er wohl selbst am besten). Beschwören mochte er das nicht. »Es kann sein, dass irgendwas nicht funktioniert«, sagte er mehr als einmal. »Das ist alles nicht sicher, das kann also auch schiefgehen« und so weiter.
Die Hoffnung möge zuletzt sterben, wünscht der Minister: »Wenn das alles so funktioniert, wie es auf dem Papier aussieht, dann können mehr als 50 Prozent Öl nach Schwedt gebracht werden.« Dass im besten aller Fälle auch mehr als 50 Prozent der Belegschaft übrig blieben, versprach er nicht, aber eine Kraftanstrengung sondergleichen bei der Umstellung der Versorgung: »Wir versuchen, Öl aus der nationalen Ölreserve über eine sieben Tage dauernde Verschiffung von ganz Westdeutschland nach Ostdeutschland zu bekommen«.
Überzeugen konnte er damit in Schwedt kaum jemanden. Die meisten Arbeiter standen bedrückt herum. Wie sehr es in vielen brodelte, machte der große Jubel deutlich, als einer von ihnen den Mund aufmachte und nach Verweis auf die Jahrzehnte mit dem russischen Öl erklärte: »Wenn dieser Rohstoffzufluss unterbrochen wird aus political correctness, ist das in meinen Augen nicht richtig.« Habeck konterte mit Europas »Friedensordnung«.
Nicht so recht nachvollziehbar auch für Karina Dörk, Landrätin der Uckermark von der CDU. »Wir haben das Gefühl, dass dieser Standort möglicherweise auf dem Spiel steht und sich an der Kriegssituation nichts ändert«, sagte sie der ARD. Und als der DLF mit einiger Mühe noch einen Lokführer vors Mikro bekam, der Kesselwagen übers Werksgelände fährt, war auch dieser von Habeck skeptisch zurückgelassen worden. »Jetzt heißt es nicht mehr: Wir müssen zur Arbeit, sondern: Wir dürfen noch zur Arbeit.«
Die Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt) wird ebenfalls über das 8.900-Kilometer-Netz der Druschba-Pipeline versorgt. Außerdem Tschechien, die Slowakei und Ungarn. Diese Länder wollen auf russisches Öl nicht so bald verzichten.
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Ergänzend um Thema: Was kümmert es Habeck?– Trotz steigender Energiepreise forciert Regierung Crashkurs gegen Russland