Ackern für die Grundsicherung

Ackern für die Grundsicherung

Kapitalboss fordert wiederholt längere Arbeitszeiten. Sozialverband VdK moniert geringen Mindestlohn

Es ist eine Art Masche von Rainer Dulger: im Vierteljahrestakt »Reformen« bei Rente und Arbeitszeiten zu fordern. Der Werktag müsse »flexibilisiert«, das Loch in der Rentenkasse gestopft werden, wurde der Boss der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) am Neujahrstag bei dpa zitiert.

Bald gingen nämlich die Babyboomer in die Altersruhe, »ungefähr vier Millionen Menschen wechseln dann ihren Status vom Beitragszahler zum Leistungsempfänger«, weiß Dulger. Das mache ihm große Sorgen. Deshalb solle das Renteneintrittsalter an die durchschnittliche Lebenserwartung gekoppelt werden. »Können wir uns das vorstellen?« befragt er süffisant die Leserschaft. Das heißt, statt wie heute mit 63 bzw. 65 Jahren am liebsten erst mit vollendetem 70. Lebensjahr den Job an den Nagel hängen. Zumal unser Arbeitszeitgesetz aus einer Zeit von Telex und Wählscheibe stamme.

Nur, die Altersgrenze für die abschlagsfreie Regelaltersrente wird bis 2031 ohnedies schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Und Fakt ist: Jeder vierte Mann und jede siebte Frau sterbe aktuell vor der Regelaltersgrenze, so kürzlich DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. »Eine dramatischere Rentenkürzung ist wohl kaum denkbar.« Davon will Dulger nichts wissen. Auch nichts von einer Viertagewoche, wie sie etwa der IG Metall vorschwebt, geschweige denn bei vollem Lohnausgleich.

Apropos Entgelte. Seit dem 1. Januar gilt ein erhöhter Mindestlohn. Peanuts, 41 Cent mehr auf nun 12,41 Euro brutto pro Arbeitsstunde. Viel zuwenig für die rund 6,6 Millionen Mindestlöhner hierzulande, monierte am Montag der Sozialverband VdK in einer Stellungnahme. Weil, »wer wenig verdient, gibt prozentual deutlich mehr von seinem Gehalt für Miete, Heizen und Essen aus, als es Besserverdienende tun«, so VdK-Präsidentin Verena Bentele. Logische Folge ferner: Geringe Löhne bedeuten im Alter geringe Renten. Wer Vollzeit arbeite, dürfe weder jetzt noch im Alter von Armut bedroht sein, betonte Bentele. Dulgers Devise dürfte eine andere sein: länger, billig und duldsam Werktage schruppen. Hauptsache ackern.

 

Oliver Rast, jw- Ausgabe vom 02.01.2024